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„What? How? Why?“: Die Malerei von Bettina Düesberg,
wo das Geheimnisvolle und das Offensichtliche
die Fragen des Menschseins aufwerfenWas ich sofort sehe: Bettina Düesberg versteht etwas von ihrem
Handwerk, und wie! Virtuos wechselt sie zwischen den unterschiedlichsten
malerischen Sprachen. Mit abstrakten, expressiven Elementen umhüllt sie
etwa im Gemälde Destabilisation (2023) den anatomisch perfekt
gezeichneten Adler in der Rückenansicht, während sie mit minimalen
Linien und Farben einen Widder andeutet und mit ebensolcher Leichtigkeit
eine sinnierende Frau auf den Malgrund haucht. Ihre in Dunkellila, fast
Schwarz hingeworfenen Umrisslinien lassen einen hageren, vom
Schicksal gebeutelten Leib erahnen, nach oben gerichtet ist ihr Blick. Was
wohl noch kommen wird? Wie fein doch ihr Gesicht gemalt ist! Tropfende
Farbverläufe zwischen Pastelltönen, Monochromie und Signalrot, grobe
Strukturen und physiologische Definiertheit – in diesem Bild kommt alles
zusammen, die Dämonen, das Tier in uns, die nicht auszulöschenden
Hoffnungsschimmer, der Durchhaltewille, der Menschen auch unter
widrigsten Umständen weitermachen lässt. Hat sie eine Wahl? Ich weiß es
nicht. Ich weiß nur, dass Bettina Düesbergs Malerei von gewaltiger
Ausdruckskraft ist. Sie verbindet das Geheimnisvolle mit dem
Offensichtlichen.In ihren Bildern steckt so viel, so viel an zutiefst menschlicher Erfahrung,
von Abgründen und Höhenflügen, dass ich als Betrachterin einfach nicht
genug davon bekommen kann. Und ich sehe immer noch mehr. Aus
kunsthistorischer Sicht gibt es nicht nur abstrakte und expressive
Elemente, sondern auch Bezüge einerseits zum Post-Impressionismus,
andererseits zum Surrealismus eines Max Ernst. Pierre Bonnard, Marc
Chagall und der späte Edvard Munch kommen in den Sinn. In den
Gesichtern und der Art der Farbigkeit wiederum sind Bezüge zu Marlene
Dumas und Peter Doig erkennbar.
Bettina Düesberg selbst schreibt über ihre Kunst: „Meine Malerei ist das
Ergebnis abgebildeter innerer Monologe zu Fragen, die mich bewegen. Ich
füge hinzu, nehme zu Teilen wieder weg. Es tauchen häufig Tiere in ihren
jeweiligen besonderen Eigenschaften auf. Als Akteure übernehmen sie
verlorengegangene Fähigkeiten der Menschen, unterstützen oder geben
Hinweise. Es ist meine Möglichkeit, erweiterte Aspekte zu erkennen, derer
ich mir vorher nicht bewusst war. Es ist meine Weise, das Leben zu
ergründen und zu verstehen, und das mit anderen Menschen zu teilen.“
Als ausgebildete Theatermalerin, nach Studien in München und Berlin und
mit ihrer langen Erfahrung im Film wechselt sie souverän zwischen den
unterschiedlichsten malerischen Sprachen, verbindet sie und setzt sie in
Kontrast zueinander, wie etwa anhand der starken Kontraste zwischen
exakt gemalten und mit nur wenigen Linien angedeuteten Gesichtern und
Figuren zu sehen. Was braucht es wirklich, um ein Bild zum Leben zu
erwecken? Mit opulenten Farben und Formen fängt sie die Fülle des
Lebens ein und lässt dabei gleichzeitig viel weg, denn die eingesetzten
Farben entfalten erst durch den Verzicht ihre ganze Kraft. In ihrer Malerei
verbindet sie das Geheimnisvolle mit dem Offensichtlichen, die Figur mit
der Farbe, das Abstrakte mit dem Gegenständlichen. Zutiefst menschliche
Erfahrungen hält sie auf diese Weise fest, von Abgründen und
Höhenflügen, über Träume und reale Erlebnisse, so gründet etwa das Bild
Hundstage (2022) auf einer eigenen, bedrohlichen Erfahrung in Portugal,
als sie sich am Strand auf einmal von einer bedrohlich knurrenden
Hundmeute umringt wiederfand. Dieses Bild hat die Qualität eines
Albtraums, aber auch einer Offenbarung, weil es um menschliche
Urängste geht, die zutiefst berühren und verunsichern, die aber ebenso
die Kraft beinhalten, aus so einer Situation wieder befreit zu werden, oder
sich selbst zu befreien.
Auch das surreal anmutende Bild Fliegen (2021) basiert auf einem
eigenen Erlebnis, auf eigener Wahrnehmung und gewinnt mit der bizarren
Mischung aus natürlichem und künstlichem Licht, in dem sich
Suchscheinwerfer mit durch Astwerk scheinende Sonnenstrahlen kreuzen,
eine unheimliche Dimension, wird inhaltlich stark aufgeladen. Im
Hitzesommer 2021 hatte Düesberg im Atelier eine Fliegenplage mit
besonders fetten Fliegen, worauf ihr der Gedanke kam, es könne sich um
Drohnen handeln, was im Zeitalter der umfassenden
Überwachungsmöglichkeiten technisch ja nicht ausgeschlossen,
zumindest real denkbar und machbar ist. Fliegen wurde zu ihrem Corona-
Bild, über welches sie selbst sagt: „Alles wird so durchscheinend! Durch
die sozialen Medien ist man ständig in Durchleuchtung, die Menschen
leben in Glashäusern, es gibt keine Räume mehr, wo man sich
ausprobieren kann.“ Die Überwachung ist allgegenwärtig, selbst in
unseren Privaträumen sind wir ständig davon umgeben und nehmen es oft
als selbstverständlich und unproblematisch hin.Fast immer beginnt Bettina Düesberg ihre Bilder aus einem starken Impuls
heraus. Ohne, dass die Künstlerin es genau begründen könnte, fängt sie
auf einmal an, sich mit einer bestimmten Person über längere Zeit
auseinanderzusetzen, mit einer Idee schwanger zu gehen. Mit den Bildern
versucht Düesberg etwas zu verstehen, ohne selbst genau zu wissen, was
es ist. Die Interpretation ihrer Gemälde entsteht wiederum aus der stillen
Zwiesprache zwischen Bild und Betrachter. In ihren Bildern bleibt viel
offen. Ihre ausgesprochene Stärke ist es, das Denken der Betrachter in
Bewegung zu setzen, anzuregen, mehr Fragen aufzuwerfen, als zu
beantworten, die Realität kritisch zu hinterfragen, sich nicht mit einfachen
Antworten zufriedenzugeben. „What? How? Why?“: Die Vielschichtigkeit
der möglichen Deutungen und das Verschwimmen von real Erlebtem mit
Erfundenem, Erdachtem und Geträumtem ist das, was Bettina Düesberg
antreibt und zu ganz eigenen, faszinierenden Bildwelten führt. Diese Kunst
verlangt und verdient unsere ganze Aufmerksamkeit.Sara Tröster Klemm
Leipzig, März 2023___________________________________________________________________________________________________________________________________________________
Juni 2022
Es gibt im Innenleben des Menschen eine Form von Wahrhaftigkeit, die mir hilft, die Dimensionen des Seins zu erkennen und zu verstehen. Eine äußerst intime, sehr persönliche Konklusion, die aus der Vielfalt entsteht und wieder in sie zurückführt. Erlebnisse die zu Emotionen werden, um dann den Weg zurück in die Welt zu nehmen. Dabei interessiert mich der Moment, in dem sich eine emotionale Regung, eine ganz eigene Realität erlaubt, die sich aus Gedanken, Gefühlen, Phantasien, aus Bruchstücken zusammensetzt. Es ähnelt einer verbliebenen Sequenz aus einem Traum. Ein Rätsel das es zu entschlüsseln gilt. In meinen Bildern heben sich die Gesetzmäßigkeiten auf. Dinge, Raum, Zeit, Perspektiven fügen sich dem Moment in dem sich das Neue bildet, das als Resonanz wieder ins Ganze zurückkehrt.
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Bettina Düesberg (* 1961) in Brüssel, Belgien aufgewachsen.
Von 1977 bis 1982 Studium der Bildhauerei und Malerei an der „Freien Kunstakademie Nürtingen“,
1982 bis 1983 Grafik Design an der „U5“, München.
1983 Umzug nach Berlin. Atelier- Oranienstraße 185, Kreuzberg. Freie Malerei und großformatige Hintergrundbilder für Film, Oper und Theater.
1995 bis 1998 Ausbildung zur Theatermalerin an der Staatsoper, dem Deutschen Theater und dem Berliner Ensemble.
2005 Eröffnung einer ATELIER||GALERIE, mit jährlich, im Herbst stattfindenden Ausstellungseröffnungen aktueller Arbeiten.
Zu diesen Ausstellungen wird jeweils eine Gastkünstler*in eingeladen. (Eine Auswahl der Künstlerinnen: Anna Lena Straube(D), Verena Kammerer(IT), Michelle Hungerford(AUS)).2009 bis 2013 vier Studienreisen nach Australien.
2012 Ausstellung „Galerie im Zelt“ beim Woodford Festival. Portrait von Bob Hawke, “Former Prime Minister of Australia”.
2016 Ausstellung „Berlin and back“, zusammen mit Michelle Hungerford, (AUS) in der Tamworth National Gallery.
2018 bis 2020 drei Studienreisen in die USA. Teilnahme an den „ Advanced Mentored Studies“ mit Enrique Martinez Celaya, LA, in Aspen (CO).
2020 Studienreise nach Antibes, Südfrankreich.
2021 durch Corona bedingt, Rückzug ins Atelier und Neubesinnung.
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„Deine Augen schwiegen nicht.“ (Ovid)
Die Gemälde von Bettina Düesberg eröffnen dem Betrachter eine ganze Palette von Assoziationen an die verschiedenen Epochen der Malerei. Man meint, diesen ebenso stechenden wie tiefgründig blickenden Augen schon einmal begegnet zu sein. Und doch sind ihre Arbeiten bei näherem Betrachten konkret keinem Stil aus den vergangenen Jahrzehnten zuzuordnen. Ihre Malereien mit Körpern, Gesichtern und Figuren schweben vielmehr zwischen den Zeilen der Kunstgeschichte, sind teilweise sogar gänzlich zeitlos und in einer eigenen Welt zuhause. Die Bilder fordern auf, die eigenen Sehgewohnheiten zu hinterfragen.
Seit vielen Jahren beschäftigt sich Bettina Düesberg mit den großen Fragen des Lebens. Was bedeutet es, auf der Welt zu sein? Was erleben Menschen und wie machen sich diese Erfahrungen im äußeren Erscheinen, in der Struktur und Haltung von Gesicht und Körper bemerkbar? In jeder Arbeit, die in einem über mehrere Monate andauernden Prozess auf der Leinwand reift, begibt sie sich auf die Suche danach, was für sie darin wahrhaftig ist.
Besonders in ihren Menschenbildern – ob nach realen Personen oder aus der Phantasie entstanden – wird ihre Auseinandersetzung mit der Darstellbarkeit von Emotionen sichtbar, die weit über die gängige Definition einer äußeren Form in der Malerei hinausgeht.
Wie ein Wanderer spaziert die Künstlerin in ihren Bildern erforschend entlang der Gesichtslandschafts eines Menschen, ohne zu bewerten oder auf den Einlass in die Innenwelt zu drängen. Vielmehr eröffnen die zarten bis kräftigen Pinselstriche einen Dialog mit den Figuren, welche nach und nach die Schichten ihrer Persönlichkeit freilegen. Meist sind es die Augen einer Figur, durch die man wie durch eine Tür in die innersten Bereiche der Seele geführt wird – eine Intimität, die herausfordernd ist und gleichzeitig ein Markenzeichen der Künstlerin. Die Faszination Bettina Düesbergs für den Facettenreichtum des Menschen, seine Licht- und Schattenseiten, wird in allen Malereien deutlich.
Indem Bettina Düesberg realistische mit abstrakten Elementen konfrontiert, entstehen tiefgründige Kompositionen in flirrender Farbigkeit und verschwommenem Schimmer. So vereinen sich in ihnen Wandel und Dynamik mit Beständigkeit und Ruhe zu einem Abbild des prallen Lebens – die Bilder führen ein Eigenleben, welches sich dem Betrachter von Angesicht zu Angesicht erschließt. Alle ihre Bilder erzählen eine Geschichte mit offenem Ende, die bei erneuter Betrachtung einen ebenso frischen Anfang findet.
Julia Schmitz 2017 (Katalogtext)
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